Demokratie heute...
- von Michael Mollner
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- 13 Mai, 2020
...oder wie man Offenheit, Transparenz und Miteinander auch anders auslegen kann
Bei vielen Dingen, vor allem aber auch in der Politik gibt es Entscheidungen, die nicht wirklich als richtig oder falsch gewertet werden können, wohl aber nach Kriterien der Moral und des Wählerwillens.
Der erste Bürgermeister und seine zwei Stellvertreter bilden bei kleinen Gemeinden oder Städten keine Regierung, vielmehr repräsentieren sie die Stadt nach außen und es wäre daher zweckmäßig, wenn sie ein wenig den Wählerwillen und somit die größeren politischen Gruppierungen im Stadtrat widerspiegeln. Die drei größten Gruppen im Traunreuter Stadtrat sind die CSU, die Freien Wähler (FW) und die Grünen. Nachdem die CSU ja bereits durch Direktwahl den 1. Bürgermeister stellt, wäre es demnach nur konsequent, wenn FW und Grüne den 2. und 3. Bürgermeister stellen würden. So stellen z. B. die Grünen als jeweils zweitgrößte Fraktion in den beiden Nachbarstädten Traunstein und Trostberg auch den 2. Bürgermeister unter einem jeweils 1. Bürgermeister der CSU. Nicht so aber in Traunreut.
Die CSU meint, dass sie auch einen 2. Bürgermeister stellen will, also 2 der 3 Bürgermeister und bei einem Wahlergebnis von rund 33 % also 67 % der Bürgermeisterposten. Dazu fehlen aber die Mehrheiten, die CSU stellt inklusive 1. Bürgermeister nur 11 der 31 notwendigen Stimmen, und schon geht das Geschacher los. Nachdem FW und Grüne ja gerne den 2. und 3. Bürgermeister stellen würden, sucht sich die CSU zur Mehrheitsbeschaffung also die viertgrößte politische Gruppe im Stadtrat, die Bürgerliste (BL) mit deren 3 Mandaten aus und bietet diesen – obwohl sie nach der SPD mit rund 40 % Wählerstimmenverlust gegenüber 2014 der zweitgrößte Wahlverlierer war – den 3. Bürgermeisterposten an um sich im Gegenzug die Unterstützung für den eigenen 2. Bürgermeister zu sichern. Und man muss die BL ja auch richtig motivieren, also wird kurzerhand noch ein neues Referat Stadtplanung-Stadtsanierung-Städtebauförderung für das BL Stadtratsmitglied Johann Danner geschaffen, obwohl es doch eigentlich eh schon eine Lenkungsgruppe Städtebauförderung gibt. Egal. Das alles reicht aber rechnerisch mit 11+3=14 von 31 Stimmen immer noch zu keiner Mehrheit.
Als erstes versucht man also der Bayernpartei (BP) und der SPD, die beide je 2 Stadtratsmitglieder stellen einzureden, dass sie eigentlich gar keine Ausschusssitze in Ausschüssen wie z. B. dem Haupt- oder dem Bauausschuss hätten, da man Fraktionsstärke (also 3 oder mehr Stadträte) haben müsse, um einen Anspruch auf einen Ausschusssitz zu haben. Gönnerhaft bietet man BP und SPD gegen umgekehrt wohlwollende Unterstützung bei der Besetzung des 2. und 3. Bürgermeisters an, dass man aber gerne einzelne Ausschusssitze an BP und SPD abtreten würde. Die L!Z recherchiert das im Vorfeld und stellt fest: Diese Aussage bezüglich der Abhängigkeit eines Anspruchs auf einen Ausschusssitz von einem Fraktionsstatus ist in der Gemeindeordnung so gar nicht geregelt und ist schlichtweg falsch!
Also müssen CSU und BL die Strategie ändern. Für die BP teilt man den bisherigen Referentenposten Kultur und Brauchtum in zwei Referentenposten, damit man Markus Schupfner von der BP das Referat Brauchtum zuteilen kann. Die BP, die aus eigener Kraft im Rechnungsprüfungsausschuss keinen eigenen Sitz hätte, bekommt einen Ausschusssitz von der CSU übertragen. Und für jeden Ausschusssitz kann man bis zu 2 Stellvertreter bestimmen. Da aber BP und SPD nur jeweils 2 Stadträte stellen, übernimmt ein CSU Stadtratsmitglied jeweils die Position eines 2. Stellvertreters. So, damit ist die BP „eingetütet“ und man hat 11+3+2=16 Stimmen. Das würde bei insgesamt 31 Stimmen im Prinzip schon zur Mehrheit reichen, nur wenn jemand krank ist, oder in einer geheimen Wahl auch mal anders stimmen würde, ist die Mehrheit schon recht dünn und daher nimmt man die SPD auch ins Boot, denn mit 11+3+2+2=18 hat man nun eine komfortable Mehrheit.
Die SPD, mit rund 60 % Wählerstimmenverlust gegenüber 2014 der größte Wahlverlierer, kann man außer bei der Position des 2. Stellvertreters bei den Ausschüssen, bei den Ausschüssen ansonsten nicht mit einem Posten ködern, hat sie doch aus eigener Kraft überall einen Sitz in den Ausschüssen erhalten. Also bietet man hier großzügig Referentenposten an. Da die SPD ja nur 2 Mitglieder im Stadtrat stellt, folglich also gleich die maximal möglichen 2 Referenten (zum Vergleich, die FW hat 5 Stadträte und 1 Referenten). Das Referat für Städtepartnerschaften war ja letzte Legislaturperiode 2014-2020 schon gut von der SPD repräsentiert worden und da CSU, BL und BP ja schon genaue Vorstellungen von dem haben, was sie selbst an Referenten stellen wollen, bietet man der SPD noch das Referat des Wirtschaftsreferenten an, an dem sie selbst kein Interesse haben. Christian Stoib bewirbt sich als SPD-ler um die Position des Wirtschaftsreferenten und hat dabei weder die Qualifikation / Ausbildung, noch die Erfahrung noch ist er in der Wirtschaft gut vernetzt. Er argumentiert damit, dass er immer schon eine kritische Haltung zur ARGE der Betriebe hatte und sieht das offensichtlich als notwendige „Kontrollfunktion“ oder wie auch immer. Echt jetzt? Ja, echt jetzt! Da darben Industrie, Handel, Handwerk sowie Dienstleister unter der Corona Pandemie und jede Form von Hilfe / Unterstützung wäre hier angebracht und da sieht sich jemand bemüßigt, das kritisch zu begleiten statt fachlich zu unterstützen. Ohne Worte! Und da es hier ja nicht um Qualifikation oder Geeignetheit geht, wird er natürlich gemäß der internen Absprachen des oben erwähnten Blocks auch mit deren Stimmen gewählt … Was nutzt es da, wenn Michael Mollner von der L!Z mit über 35 Jahren Erfahrung aus der Wirtschaft, einem BWL-Uni Diplom und wirtschaftlich gut vernetzt - wie z. B. 33 Jahren ARGE Mitgliedschaft - dagegen kandidiert, wenn das Ergebnis der Abstimmung vorher schon abgesprochen war. Nun ja, so kann Demokratie auch aussehen.
Und so wählt der Block aus CSU, BL, BP und SPD dann seine Posten und Pöstchen mit mindestens 18 Stimmen durch. Die L!Z ist bei der Vergabe der Referenten übrigens leer ausgegangen – selbstredend. Ist das alles richtig oder falsch? Wie eingangs erwähnt, schwer zu sagen. Ist es moralisch den anderen politischen Gruppen gegenüber richtig? Ist das der Wählerwille? Das muss jeder beim Rasieren bzw. Schminken und dem Blick dabei in den Spiegel selbst beantworten.
So wiederholt sich die Geschichte immer wieder, nur dass aus 30 Silberlingen heute Referentenposten und Ausschusssitze geworden sind … nichts für Ungut, aber wer von Offenheit und Transparenz spricht, der muss es sich auch gefallen lassen, dass seine Mauscheleien ganz offen und transparent aufgezeigt werden.
Stört uns das als L!Z? Nein; es ist einfach schön, wenn man Vorurteile schon gleich zu Beginn einer neuen Stadtratsperiode bestätigt findet und so nicht gezwungen ist, sich möglicherweise neue Sichtweisen zulegen zu müssen. Nichts desto trotz freuen wir uns in der L!Z auf die Stadtratsarbeit und darauf, unsere Ideen mit einbringen zu können.